top of page

Geschichten des Wandels #06/2021 / Die Gartenlandschaft beim Haus an der Kurve

Autor und Bilder: Marco Büttner


 

In Cabbiolo, einem kleinen Taldorf im mächtigen, langgestreckten Bündner Südtal Valle Mesolcina, dem Misox, entwickelt sich seit einigen Jahren eine vielfältige und lebensfreudige Gestaltung. Eine “Gartenlandschaft”, wie es Federica und Christian Stenz gerne nennen, die sie miteinander strukturieren und planen und die Federica als leidenschaftliche Gärtnerin pflegt und bewirtschaftet.


Die Parzelle umfasst 3000qm. Sie ist ein eigenständiger Teil eines grossen Anwesens, das sich Centro Arte nennt. Das Centro Arte mit seinen sechs Häusern ist Teil des alten Ortskerns von Cabbiolo und wird von der Familie Stenz seit vierzig Jahren belebt und bewirtschaftet. Lange Jahre wurde Betreuungsarbeit geleistet, die Häuser wurden

stetig renoviert und umgebaut und die mehrere hundert Meter lange Steinmauern neu geschichtet. Damals hiess das Centro Arte noch Centro Humanita. Die junge Generation machte sodann einen kreativ gestalteten Begegnungs-, Ferien- und Kursort aus dem Ort. Heute beleben nebst dem Centro-Gelände drei Familien eigenständige Parzellen.


Sandig, steinig, heiss Federica pflegt ihren Garten seit zwanzig Jahren. Sie hat ihre Erfahrungen gesammelt mit dem sandigen, steinigen Boden, dem Klima und den heissen aber wenigen Sonnenstunden zwischen den 2000 Meter hohen Steilwänden des Trogtales, die spektakulär in den Himmel ragen, begrenzt von den Bergen Sass Castell und Piz Groven. Christian ist hier aufgewachsen und verwurzelt, er betreibt eine eigene Zimmerei, ist Jäger und Berggänger und kennt das Tal und die Berge wie sich selbst. Gegärtnert wurde erst auf kleiner Fläche, nebst Geflügel und Kleintierhaltung, der Etablierung von Kern-, Stein- und Beerenobst, Baumnüssen, Feigen und Marroni natürlich, die es im Winterhalbjahr gilt vor den Hirschen zu schützen.


Selbst einst über drei Jahre im Centro tätig, habe ich das Glück, Frederica und Christian seit langem bei der Entwicklung gestalterisch aktiv begleiten zu dürfen. Und diese nahm Fahrt auf nachdem ihre drei Mädchen flügge wurden und nun in die Lehre gehen.


Nachdem die Gartenfläche vergrössert, ein Walipini gebaut und die Hühnerhaltung intensiviert wurde, gingen wir im letzten Winter in eine neue Gestaltungsphase. Federica hat sich intensiv mit den Gestaltungsideen der Permakultur auseinandergesetzt, aber über viele Jahre sich vor allem damit “zusammengesetzt” was an ihrem Ort wirkt und geschieht, was gedeihen mag und welche Gewächse ihr liegen.


Ihre leitende Tätigkeit für das Kurszentrum hat sie aufgegeben. Sie möchte sich nun intensiv einlassen auf die Produktion von Gemüse, Salat, Spezialitäten und die Versorgung mit Eiern und diversen Beeren und Früchten für Familie, Zentrum und Interessenten. Somit wurden eine Reihe neuer Elemente geplant und anhand der Ressourcen in der Umsetzung miteinander verknüpft..


Neues Leben für die Ruine Es stand sehr viel organisches Material zur Verfügung in Form von Grünschnitt, Häcksel, Mist und Schafwolle von den Nachbarn, Holz von gefällten Bäumen und vor allem: sehr, sehr(!) viel Granit! Stein....die endlose Bürde und Ressource der südalpinen Tallagen. So entstanden diesen Winter neue Beerenanlagen, ein Moorbeet, mehrere Hügelbeete, Heckenpflanzungen und ein Verkohlungsplatz.


Zum Zentrum der Aktivitäten aber wurde zunehmend eine um die 400 Jahre alte Ruine eines der ältesten Häuser des Tales am Rand des Geländes. Deren Wände wurden zum Teil abgetragen, die seit Generationen begrabenen Bau-und Dachsteine und deren Geschichte geborgen. Aus den vielen Kubikmetern Granit entstand eine im lokalen

Trockenmauer-Handwerk gestaltete,

gewundene Terrasse für diverse Kulturen sowie der einen Meter tiefe Grundkörper eines 15 Quadratmeter grossen “Vegetary”-Gewächshauses nach den Planideen des russischen Gestalters Kurdyumov, das in naher Zukunft entstehen soll. An die Terrasse wurde ein grosszügiges, flexibles 5-Kammer Kompostsystem aus Lerchenholz integriert.



Die Ruine wiederum bekam neues Leben eingehaucht und wurde mit überdachten Hochbeeten bebaut für Tomaten, Gurken und andere wärmeliebende Kulturen. Sie heisst nun Ca Corvum – das Haus an der Kurve – und eignet sich durchaus auch für einen Apero.


Offen für Besuch

Sandig, durchlässig, steinig, zum Teil geprägt von Schlammlawinen-Abgängen, aber auch partiell tiefgründig und seit langem bewirtschaftet ist der Boden. Federica arbeitet im Bodenaufbau intensiv mit dem Mulchprinzip, mit dem Eingraben von Wolle und Mist der benachbarten Schafbauern, mit EM und Kompostierung und mit Biokohle im Weitwinkel. Sie etabliert Baumscheiben-Bepflanzungen und Wärmefallen. Federica und Christian pflegen die ehemals von Schafen beweideten Grünflächen nun mit Mosaik-Mahd für die Gewinnung von Mulch und organischem Kompostmaterial, pflegen Wildobsthecken und bauen über Asthaufen und Nischen Lebensräume für die wunderschönen Mitbewohner der Gartenlandschaft auf.


Im Spielfeld zwischen achtsamer Beobachtung, Liebe zum charmanten Detail, fundiertem Handwerk und Geduld gedeihen der Ort und der Mensch in der Landschaft. Darf man ihn besuchen? Man darf. Das Centro Arte sowieso, Federica und Christian auch!


Kontakt:


 

Marco Büttner, Erlebnispädagoge & Handwerker


Marco Büttner - der sorgfältige Praktiker mit Herz für die Kreislaufwirtschaft und seine Mitmenschen. Permakultur begleitet ihn seit vielen Jahren und in vielen Facetten. Neben verschiedenen Lehr- und Gestaltungstätigkeiten war Marco jahrelang auf dem Balmeggberg zuhause und verantwortlich für den Auf- und Weiterbau dieses vorbildlichen Permakulturprojekts.


 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page