familienhof seiliacher kirchenthurnen
Die Feldlerche sollte wieder singen auf dem Seiliacher im bernischen Kirchenthurnen. So wie früher. Und Pflanzenfasern sollten gewonnen werden, um die eigene Seilerei zu betreiben. Beides hat die Familie Grünig mit Planofuturo und vielen helfenden Händen umgesetzt. Entstanden ist ein kleines Paradies, das ganz in der Verantwortung und Obhut der Familie liegt. So wie sie sich dies gewünscht hat.
Übersichtsplan Neugestaltung Seiliacher
Ausgangslage & Zielsetzung: Das Land zurückholen
Seit Generationen besitzt die Familie Grünig ein etwa drei Hektaren grosses Stück Landwirtschaftsland, den so genannten «Seiliacher» am Moosweg 10 im bernischen Kirchenthurnen. Der ursprüngliche Kaufvertrag ist sogar noch als «historisches Dokument» vorhanden. Auf dem Seiliacher leben Franziska Grünig, ihr Mann und ihr Vater. Doris Grünig, Franziskas Schwester, ist in Zürich zu Hause. Die landwirtschaftliche Fläche wird von einem Pächter bewirtschaftet und für die Produktion von Heu genutzt.
2021 festigt sich bei den Schwestern Franziska und Doris der Wunsch, ihr Land wieder in Obhut zu nehmen und die volle Verantwortung dafür zu tragen. Also wenden sie sich an Planofuturo, um diesen Traum weiterzuentwickeln und Realität werden zu lassen.
Vision: eigenes Fasergut und die Feldlerche singen hören
Zwei Themen kristallisieren sich bei der Visionsfindung heraus: der Betrieb der alten Seilerei auf dem Gelände und die Förderung der Artenvielfalt, insbesondere von Vögeln, die offene Flächen benötigen wie die Feldlerche und die Schleiereule.
Die beiden Themen bilden fortan den roten Faden des Projekts. Daneben wünscht sich die Familie Grünig verschiedenen Nutzpflanzen-Kulturen.
Bereits der Grossvater stellte im familieneigenen Betrieb Seile her. Franziska hat das Handwerk von ihm erlernt und führt es bis heute weiter. Der Anbau von Fasergut zur Herstellung der Seile soll deshalb Platz finden auf dem eigenen Land. Franziskas Vater wiederum wünscht sich, dass er wie früher dem Gesang der Feldlerche lauschen kann.
Pflanzaktion mit Doris und Franziska Grünig
Der permakulturelle Ansatz: lokal und partizipativ
Die Familie Grünig möchte bewusst Verantwortung für ihr Land übernehmen und es langfristig mitgestalten. Diese Art der Verbindung ist ein Kernpunkt der Permakultur: Sie setzt darauf, wieder vermehrt lokale Ressourcen zu nutzen. Die Selbstversorgung mit Lebensmitteln und der Anbau von Pflanzenfasern zur Seilherstellung in der eigenen Seilerei erlauben es der Familie, mit ihrem Land einen Ertrag zu erwirtschaften.
Ein wichtiger Punkt ist die Kreislaufwirtschaft und dass die einzelnen Elemente miteinander vernetzt sind und mehrere Funktionen erfüllen. Schnittgut von Hecken und Bäumen wird dazu verwendet, ökologisch wertvolle Asthaufen anzulegen oder die Benjes-Hecke zu pflegen. Die Naschhecke und die Obstbäume wiederum dienen als Windschutz, liefern Nahrung in Form von Beeren und Wildobst und bietet Tieren Nahrung, Unterschlupf sowie Verbindungskorridore zwischen Lebensräumen.
Die Planung erfolgte in einem partizipativen Prozess mit der Familie und dem Pächter des Landwirtschaftslands sowie mit Unterstützung von Fachpersonen, Freunden und Interessierten. Die Moderation des Prozesses übernahm Planofuturo. Die grossen Elemente wie die Wildhecke, die Naschhecke, der Pilzgarten und die Obstbäume wurde gemeinschaftlich im Rahmen von Permablitz-Aktionen angelegt und gepflanzt. Während zwei Tagen im Spätherbst 2021 packten Familie, Freunde und freiwillige HelferInnen von nah und fern mit an. Viel ist entstanden in diesen zwei Tagen, und es wurde rege Wissen ausgetauscht, gelacht, gefeiert und die Gemeinschaft gepflegt.
Beziehung Mensch Natur: am Boden angekommen
Durch die partizipative Planung entstand ein Projekt, das vollumfänglich den Wünschen und Bedürfnissen der Familie entspricht. Sie konnte ihren Weg, das eigene Land wieder in Obhut zu nehmen, mit Unterstützung von Planofuturo selber erarbeiten. Dieser Weg brauchte viel Mut, und zwischendurch fühlten sich die Initiantinnen wie im freien Fall: Weder das Projekt Seiliacher noch das Stück Land sind klein.
Heute sagen Franziska und Doris, sie seien wieder am Boden angekommen. Die Art, wie das Land genutzt wird, entspricht den Ressourcen, Fähigkeiten und Kapazitäten der Familie. Ein wichtiger Punkt, damit ein Projekt langfristig funktioniert Zudem hat das Vorhaben die Familie wieder näher zusammengebracht, darüber sind sich alle einig.
Neugestaltung: Brachen, Selbstversorgung, Fasern
Kirchenthurnen liegt im Gürbetal. Anhand historischer Bilder wurde ersichtlich, dass hier bereits früher praktisch keine Bäume standen. Die einst stark mäandrierende Gürbe bildete über Jahrhunderte ein Sumpfgebiet. Urbar gemacht wurde das Land zwischen 1860 und 1910 mit der Begradigung des Flusses. Der Wunsch nach vielen Bäumen auf dem Grundstück, um an dessen ursprünglichen Bewuchs anzuknüpfen, musste die Familie deshalb fallen lassen. Ins Zentrum rückten nunmehr eine offene Landschaft mit Lebensräumen für Bodenbrüter, die Förderung der Artenvielfalt, ein kleiner und in Handarbeit betriebener Anbau von Gemüse, Früchten und Getreide sowie die Produktion von Pflanzenfasern für die Herstellung eigener Seile. Also machte sich Planofuturo daran, die verschiedenen Bedürfnisse zu verbinden und in die permakulturelle Planung zu integrieren.
Die Idee der Buntbrache und Rotationsbrache kam auf, das sind Flächen mit mehrjährigen, einheimischen Wildkräutern, die in die Fruchtfolge eingebunden sind. Ergänzend dazu wurde der Anbau von Spezialkulturen und Pflanzenfasern wie Hanf oder Flachs für die Seilerei aufgenommen. Diese Form der Landnutzung wird den Ansprüchen von Bodenbrütern wie Feldlerche oder Wachtel gerecht und dient der Schleiereule, die offene Landschaften zum Jagen braucht. Um die Artenvielfalt und Vielfalt an Lebensräumen zu erhöhen, wurde eine rund 140 Meter lange Wildhecke gepflanzt. Diese wird als Niederhecke gepflegt, damit keine hohen vertikalen Strukturen die offene Landschaft beeinträchtigen. Rund ums Haus wurden Elemente zur Selbstversorgung erstellt, unter anderem eine 70 Meter lange Naschhecke, ein Pilzgarten, mehrere Hochstamm- und Niederstamm-Obstbäume sowie ein Nussbaum.
Fertig ist der Seiliacher damit noch nicht. In Planung ist aktuell noch eine Teichlandschaft, die in Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Sempach entsteht.
In Gemeinschaftsarbeit zur Wild- und Naschhecke.