Auch ein ausserordentliches Jahr, wie das 2020, kommt zu einem Ende. Wir wünschen für die Festtage schöne Sternstunden, wie auch Zeit und Raum das Erlebte setzen zu lassen.
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Zum Jahresabschluss eine älterer Text von Jascha Rohr, welcher in philosophischer Art der folgenden Frage auf den Grund:
Was ist ein Permakultur Designer? Um diese Frage zu beantworten würde ich gerne erstmal klären, was ein Designer ist. Design heißt in der direkten Übersetzung Gestaltung und nicht Planung. Gestaltung ist für mich ein weitaus umfassenderer Begriff als Planung. Er bedeutet nicht nur, dass wir Formen für Funktionen finden, oder Lösungen für Probleme, sondern dass wir dabei etwas Neues kreieren, das über diesen Funktionalismus hinausgeht. Gestaltung ist ein schöpferischer und kreativer Akt, der sich nicht nur rein logisch vollzieht, sondern auch emotionale, intuitive, ästhetische etc Prozesse beinhaltet. Gott war kein Planer, sondern ein Designer, denn er war schöpferisch tätig. Durch Gestaltung entsteht immer etwas Neues in der Welt. Es geht nicht nur darum, Bestehendes in einer neuen Form zusammen zu bringen, sondern vor allem darum, dem, was entsteht, eine eigene Gestalt, ein neues Gesicht, ein eigenes Leben zu geben. Die Gestalttheorie thematisiert genau dieses Phänomen: Die Gestalt ist mehr als die Summe ihrer Teile. Ein Musikstück z.B. besteht aus vielen Tönen, aber erst die gestaltende Zusammenstellung läßt aus den einzelnen Tönen eine Melodie werden, die eine bestimmte Gestalt hat und als etwas Eigenständiges wiedererkannt werden kann. Damit will ich gute Planung keineswegs herabgesetzen. Sie hat ihre Wichtigkeit und ist in vielen Kontexten unbedingt notwendig, auch in der Permakultur. Auch heißt das nicht, dass vieles, was uns als Design verkauft wird, tatsächlich mehr als schlechte Planung ist. Um meine Vorstellung davon, was ein Designer ist zu klären muss ich ganz kurz auf meine Philosophie der Teilhabe eingehen. Wer meinen Vortrag in Sieben Linden gehört hat, kann sich vielleicht schon ein Bild machen. In dieser Philosophie gehe ich von einem Blick auf die Beziehungen zwischen Elementen aus. Ich behaupte, dass nicht die Elemente der Welt (Menschen, Tiere, Dinge, Ökosysteme etc) Eigenschaften tragen und in Beziehung zueinander treten, sondern, dass die vielfältigen Beziehungen in der Welt Knotenpunkte bilden, die wir dann als Elemente und Dinge der Welt identifizieren. Das ist eine kleine und doch sehr entscheidende Änderung im Blickwinkel. Denn plötzlich sprechen wir nicht mehr von Dingen an sich, vom Wesen der Dinge oder von ewigen Tatsachen und Wahrheiten, sondern von einem sich ständig in Bewegung befindlichen Prozess des Lebens, in dem hypothetisch alles möglich ist. Diese Knotenpunkte aus Beziehungen nenne ich Partizipateure. Sie sind das, was wir bisher für die Dinge und Elemente der Welt gehalten haben. Doch ein Partizipateur ist die Summe seiner Beziehungen zu anderen Partizipateuren und verändert sich somit auch immer mit den Beziehungen, die ihn konstituieren.
Was hat das jetzt mit der Frage zu tun, was ein Designer ist?
Ich beschreibe einen Designer mit drei Bildern:
Der Designer ist ein Neoschamane. Ich glaube, dass die Arbeit von Schamanen
genau darauf zielt, auf Beziehungen einzuwirken, um Veränderungen bei den
Partizipateuren, die sowohl Menschen als auch Tiere oder Pflanzen sein
können, zu bewirken. In diesem Sinne verstehe ich den Designer und
insbesondere den Permakultur Designer als einen Schamanen. Seine Arbeit zielt
darauf, auf Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems Einfluss zu
nehmen, neue nutzbringende Beziehungen herzustellen und schädigende
Beziehungen zu verringern um sowohl neue Gestalten, neue Systeme zu
entwickeln, als auch eine Heilung bestehender Systeme herbeizuführen. Im
Idealfall ergänzen sich diese beiden Ziele und dem Designer gelingt es, aus
einem bestehenden System, in dem es viele schädigende Beziehungen gab, ein
neues System zu kreieren, indem die Beziehungen nutzbringende Kräfte
entfalten und dem System damit eine ganz neue eigenständige, lebendige
Gestalt zu verleihen.
Der Designer ist daher auch ein Gestaltenwandler. Denn ebenso wie die
Elemente des Systems mit dem er arbeitet, ist auch er ein Partizipateur des
Systems und ist somit selbst den Veränderungen der Beziehungen unterworfen,
die er verändert. Er weiß, dass er nicht außerhalb des Netzes der Beziehungen
stehen kann. Um auf Beziehungen positiv wirken zu können, muss er selbst in
diesem Netz partizipieren, durch sein Wahrnehmen, Beobachten, Handeln, Denken
und Gestalten. Dadurch verändert sich auch der Designer selbst, denn auch er
ist als Partizipateur die Summe seiner Beziehungen. Indem ein Designer
Beziehungen gestaltet, ändert sich auch immer seine eigene Gestalt. Ein
Designer, der nicht bereit ist, sich selbst diesem Prozess zu öffnen, den er
in Gang setzt und den er hofft im positiven mitgestalten zu können, muss
bereit sein, dass der Prozess auch ihn berührt und verändert. Nur mit dieser
vertrauensvollen Flexibiltät dem Entfalten des Lebens gegenüber, kann er die
Transformation seiner Arbeit von einer rein funktionalistischen Planung zu
einer lebendigen Gestaltung bewerkstelligen.
Der Designer ist ein Geschichtenerzähler, denn das Erzählen von Geschichten
ist eine ehrwürdige Form auf Beziehungen Einfluss zu nehmen und etablierten
Beziehungen durch das Wort mehr Kraft und Stabilität zu verleihen. Durch
Geschichten erhalten Beziehungen Substanz und Bedeutung. Geschichten müssen
nicht wörtlich erzählt werden. Mit Geschichtenerzählen beschreibe ich jeden
Akt des Kommunizierens der die Bedeutung einzelner Ereignisse in eine größere
Struktur, eine Gestalt, einbindet
Was ist nun mit der Permakultur? Permakultur habe ich in erster Linie immer
als eine Disziplin verstanden, nämlich als eine Disziplin, die uns sowohl das
Wissen über lebendige Beziehungen und deren Netzwerke gibt, als auch Methoden
und Techniken an die Hand gibt, um solche lebendigen, komplexen Netzwerke zu
gestalten. Dies geschieht sowohl durch Neuentwürfe aber, und das ist für mich
weitaus wichtiger, vor allem als positive Beeinflussung vorhandener Netzwerke,
die Heilung bedürfen. Der Permakultur Designer erreicht das dadurch, dass er
besonnen die Strukturen und Beziehungen verändert, um heilende Kräfte und
Energien wieder in Fluß zu bringen und um Ressourcen positiv zu nutzen.
Ich habe diese Beschreibung absichtlich sehr abstrakt gelassen, weil ich
glaube, dass es für Permakultur Designer eine unglaubliche Menge an
Einsatzbereichen gibt: Als Gärtner, Landwirt, Architekt, Handwerker,
Mediziner, Philosoph, Informatiker, Manager, Pädagoge etc pp. Die einzige
Ebene, die die Gemeinsamkeiten für Permakultur Designer untereinander
beschreibt ist für mich diese abstrakte Ebene. In ihr drückt sich sowohl ein
gewisses Verständnis von lebendigen Prozessen aus, als auch eine innere
Haltung in Bezug auf die eigene Arbeit und ein Reihe von fachübergreifenden
Methoden. Ich glaube, dass es als Designer notwendig ist, zu dieser Ebene
einen Zugang zu haben, egal ob emotional, rational, akademisch oder
intuitiv.
Wie wird man zu einem Permakultur Designer?
Permakultur, wie oben als Disziplin verstanden, kann man meiner Meinung nach
erlernen wie jede andere Disziplin auch: durch eine adäquate Ausbildung oder
autodidaktisch. Die interessantere Frage ist natürlich wie man zu einem
Neoschamanen, einem Geschichtenerzähler und einem Gestaltenwandler wird, denn
dabei geht es meiner Meinung nach über disziplinäres Fachwissen hinaus.
Ich fange beim Gestaltenwandler an. Gestaltenwandler sind wir meiner Meinung
nach immer. Denn unser Lebensumfeld verändert sich ständig und so auch wir
mit ihm. Die Frage ist aber: wie kann ich das als positive Qualität verstehen
und mitgestalten? Dafür ist eine innere Haltung nötig, nämlich die
Bereitschaft sich auf den Prozess des Lebens einzulassen und sich von ihm
verändern zu lassen ohne kontrollieren zu wollen, wo dieser Prozess hinführt.
Dazu braucht es Vertrauen, ein offenes Herz und den Mut, sich seinen eigenen
Ängsten (die oft Ängste vor Veränderungen sind) zu stellen. Die meisten
Lebenskonzepte zielen darauf, die eigene Position zu stabilisieren, indem man
versucht Veränderungen aufzuhalten oder sie zumindest zu kontrollieren, um
ihnen den Schrecken zu nehmen. Ein Lebensentwurf mit dem ich versuche
Sicherheit dadurch zu erlangen, dass ich den Fluss des Lebens blockiere, um
mich und meinen jetzigen Zustand konstant zu halten, führt meiner Meinung
nach in die Verzweiflung oder Resignation. Natürlich ist das Gegenteil auch
wahr: wenn ich gar keinen Rahmen mehr behalte mit dem ich „mich“ fassen kann,
und mich ausschließlich durch äußere Einflüsse lenken lasse, verliere ich den
inneren Zusammenhalt und werde wahnsinnig. Genialität ist wahrscheinlich die
Eigenschaft, genau auf diesem Grat zu reiten, wo einen das Leben im vollen
Strom mitreißt und man trotzdem als Wesen nicht zerfällst. Also:
Gestaltenwandler sind wir immer. Um im positiven Sinn Gestaltenwandler zu
werden, brauchen wir Mut, Vertrauen und ein offenes Herz. Dies kann man
möglicherweise üben, oder durch einen Meister lernen, vielleicht ist vieles
davon auch Disposition. Carlos Castaneda lesen hilft vielleicht auch ;-) Der
Gestaltenwandler im oben benutzten positiven Sinn muss auf jeden Fall eine
Aufmerksamkeit gegenüber inneren Prozessen entwickeln. Der Gestaltenwandler
ist der Aspekt des Designers, der sich den eigenen Beziehungen und ihren
Veränderungen gegenüber öffnet.
Demgegenüber könnte man den Neoschamanen als den Aspekt des Designers
bezeichnen, der eher eine Aufmerksamkeit gegenüber äußeren Faktoren
entwickelt und diese schult. Der Neoschamane muss ein Beobachter der
Beziehungen der äußeren sichtbaren und unsichtbaren Welt sein und ihre
Mechanismen verstehen, um dann auf sie einwirken zu können. Nicht umsonst
sagen uns alle großen Permakulturlehrer: Beobachte, beobachte, beobachte!
Beobachten, vielfältiges Wahrnehmen und Musterlesen sind die Basis, auf der
ein Neoschamane seine Arbeit tut. Übt und beherrscht er diese Fähigkeiten,
dann glaube ich, dass die Erkenntnisse, wie mit den Beziehungen zu arbeiten
ist, mehr oder weniger von selbst kommt. Beobachten, Muster, Menschen und
Landschaften lesen kann man lernen oder auch eine eigene Begabung dafür
haben. Die Erkenntnisse daraus in bewusst-intuitive Gestaltung umzusetzen
wird umso leichter fallen, wenn man Permakultur als Disziplin erlernt hat.
Der Geschichtenerzähler ist nun wahrscheinlich derjenige Aspekt des Designers
der synthetisch arbeitet, indem er innere und äußere Aspekte zusammenfügt und
ihnen durch Kommunikation Bedeutung, also eine Geschichte verleiht. Hierfür
braucht es Kreativität und Elloquenz, die nicht unbedingt sprachlich sein
muss. Eine Geschichte kann auch durch Bewegungen, Handwerk, ein Ritual oder
einen bedeutenden Blick erzählt werden. Ich glaube, dass jeder Mensch die
Fähigkeit dazu hat aber wenige den Zugang dazu kennen. Aber man kann Menschen
sicherlich dabei unterstützen diesen Zugang zu finden.
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