17. Dez. 2020

Wir wünschen schöne Sternstunden

Auch ein ausserordentliches Jahr, wie das 2020, kommt zu einem Ende. Wir wünschen für die Festtage schöne Sternstunden, wie auch Zeit und Raum das Erlebte setzen zu lassen.

Danke für alles was Sie mit uns verbindet.

Zum Jahresabschluss eine älterer Text von Jascha Rohr, welcher in philosophischer Art der folgenden Frage auf den Grund:

Was ist ein Permakultur Designer?
 

 
Um diese Frage zu beantworten würde ich gerne erstmal klären, was ein
 
Designer ist. Design heißt in der direkten Übersetzung Gestaltung und nicht
 
Planung. Gestaltung ist für mich ein weitaus umfassenderer Begriff als
 
Planung. Er bedeutet nicht nur, dass wir Formen für Funktionen finden, oder
 
Lösungen für Probleme, sondern dass wir dabei etwas Neues kreieren, das über
 
diesen Funktionalismus hinausgeht. Gestaltung ist ein schöpferischer und
 
kreativer Akt, der sich nicht nur rein logisch vollzieht, sondern auch
 
emotionale, intuitive, ästhetische etc Prozesse beinhaltet. Gott war kein
 
Planer, sondern ein Designer, denn er war schöpferisch tätig. Durch
 
Gestaltung entsteht immer etwas Neues in der Welt. Es geht nicht nur darum,
 
Bestehendes in einer neuen Form zusammen zu bringen, sondern vor allem darum,
 
dem, was entsteht, eine eigene Gestalt, ein neues Gesicht, ein eigenes Leben
 
zu geben. Die Gestalttheorie thematisiert genau dieses Phänomen: Die Gestalt
 
ist mehr als die Summe ihrer Teile. Ein Musikstück z.B. besteht aus vielen
 
Tönen, aber erst die gestaltende Zusammenstellung läßt aus den einzelnen
 
Tönen eine Melodie werden, die eine bestimmte Gestalt hat und als etwas
 
Eigenständiges wiedererkannt werden kann. Damit will ich gute Planung
 
keineswegs herabgesetzen. Sie hat ihre Wichtigkeit und ist in vielen
 
Kontexten unbedingt notwendig, auch in der Permakultur. Auch heißt das nicht,
 
dass vieles, was uns als Design verkauft wird, tatsächlich mehr als schlechte
 
Planung ist.
 

 
Um meine Vorstellung davon, was ein Designer ist zu klären muss ich ganz kurz
 
auf meine Philosophie der Teilhabe eingehen. Wer meinen Vortrag in Sieben
 
Linden gehört hat, kann sich vielleicht schon ein Bild machen. In dieser
 
Philosophie gehe ich von einem Blick auf die Beziehungen zwischen Elementen
 
aus. Ich behaupte, dass nicht die Elemente der Welt (Menschen, Tiere, Dinge,
 
Ökosysteme etc) Eigenschaften tragen und in Beziehung zueinander treten,
 
sondern, dass die vielfältigen Beziehungen in der Welt Knotenpunkte bilden,
 
die wir dann als Elemente und Dinge der Welt identifizieren. Das ist eine
 
kleine und doch sehr entscheidende Änderung im Blickwinkel. Denn plötzlich
 
sprechen wir nicht mehr von Dingen an sich, vom Wesen der Dinge oder von
 
ewigen Tatsachen und Wahrheiten, sondern von einem sich ständig in Bewegung
 
befindlichen Prozess des Lebens, in dem hypothetisch alles möglich ist. Diese
 
Knotenpunkte aus Beziehungen nenne ich Partizipateure. Sie sind das, was wir
 
bisher für die Dinge und Elemente der Welt gehalten haben. Doch ein
 
Partizipateur ist die Summe seiner Beziehungen zu anderen Partizipateuren und verändert sich somit auch immer mit den Beziehungen, die ihn konstituieren.

Was hat das jetzt mit der Frage zu tun, was ein Designer ist?

Ich beschreibe einen Designer mit drei Bildern:
 

 
Der Designer ist ein Neoschamane. Ich glaube, dass die Arbeit von Schamanen
 
genau darauf zielt, auf Beziehungen einzuwirken, um Veränderungen bei den
 
Partizipateuren, die sowohl Menschen als auch Tiere oder Pflanzen sein
 
können, zu bewirken. In diesem Sinne verstehe ich den Designer und
 
insbesondere den Permakultur Designer als einen Schamanen. Seine Arbeit zielt
 
darauf, auf Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems Einfluss zu
 
nehmen, neue nutzbringende Beziehungen herzustellen und schädigende
 
Beziehungen zu verringern um sowohl neue Gestalten, neue Systeme zu
 
entwickeln, als auch eine Heilung bestehender Systeme herbeizuführen. Im
 
Idealfall ergänzen sich diese beiden Ziele und dem Designer gelingt es, aus
 
einem bestehenden System, in dem es viele schädigende Beziehungen gab, ein
 
neues System zu kreieren, indem die Beziehungen nutzbringende Kräfte
 
entfalten und dem System damit eine ganz neue eigenständige, lebendige
 
Gestalt zu verleihen.
 

 
Der Designer ist daher auch ein Gestaltenwandler. Denn ebenso wie die
 
Elemente des Systems mit dem er arbeitet, ist auch er ein Partizipateur des
 
Systems und ist somit selbst den Veränderungen der Beziehungen unterworfen,
 
die er verändert. Er weiß, dass er nicht außerhalb des Netzes der Beziehungen
 
stehen kann. Um auf Beziehungen positiv wirken zu können, muss er selbst in
 
diesem Netz partizipieren, durch sein Wahrnehmen, Beobachten, Handeln, Denken
 
und Gestalten. Dadurch verändert sich auch der Designer selbst, denn auch er
 
ist als Partizipateur die Summe seiner Beziehungen. Indem ein Designer
 
Beziehungen gestaltet, ändert sich auch immer seine eigene Gestalt. Ein
 
Designer, der nicht bereit ist, sich selbst diesem Prozess zu öffnen, den er
 
in Gang setzt und den er hofft im positiven mitgestalten zu können, muss
 
bereit sein, dass der Prozess auch ihn berührt und verändert. Nur mit dieser
 
vertrauensvollen Flexibiltät dem Entfalten des Lebens gegenüber, kann er die
 
Transformation seiner Arbeit von einer rein funktionalistischen Planung zu
 
einer lebendigen Gestaltung bewerkstelligen.
 

 
Der Designer ist ein Geschichtenerzähler, denn das Erzählen von Geschichten
 
ist eine ehrwürdige Form auf Beziehungen Einfluss zu nehmen und etablierten
 
Beziehungen durch das Wort mehr Kraft und Stabilität zu verleihen. Durch
 
Geschichten erhalten Beziehungen Substanz und Bedeutung. Geschichten müssen
 
nicht wörtlich erzählt werden. Mit Geschichtenerzählen beschreibe ich jeden
 
Akt des Kommunizierens der die Bedeutung einzelner Ereignisse in eine größere
 
Struktur, eine Gestalt, einbindet
 

 
Was ist nun mit der Permakultur? Permakultur habe ich in erster Linie immer
 
als eine Disziplin verstanden, nämlich als eine Disziplin, die uns sowohl das
 
Wissen über lebendige Beziehungen und deren Netzwerke gibt, als auch Methoden
 
und Techniken an die Hand gibt, um solche lebendigen, komplexen Netzwerke zu
 
gestalten. Dies geschieht sowohl durch Neuentwürfe aber, und das ist für mich
 
weitaus wichtiger, vor allem als positive Beeinflussung vorhandener Netzwerke,
 
die Heilung bedürfen. Der Permakultur Designer erreicht das dadurch, dass er
 
besonnen die Strukturen und Beziehungen verändert, um heilende Kräfte und
 
Energien wieder in Fluß zu bringen und um Ressourcen positiv zu nutzen.
 

 
Ich habe diese Beschreibung absichtlich sehr abstrakt gelassen, weil ich
 
glaube, dass es für Permakultur Designer eine unglaubliche Menge an
 
Einsatzbereichen gibt: Als Gärtner, Landwirt, Architekt, Handwerker,
 
Mediziner, Philosoph, Informatiker, Manager, Pädagoge etc pp. Die einzige
 
Ebene, die die Gemeinsamkeiten für Permakultur Designer untereinander
 
beschreibt ist für mich diese abstrakte Ebene. In ihr drückt sich sowohl ein
 
gewisses Verständnis von lebendigen Prozessen aus, als auch eine innere
 
Haltung in Bezug auf die eigene Arbeit und ein Reihe von fachübergreifenden
 
Methoden. Ich glaube, dass es als Designer notwendig ist, zu dieser Ebene
 
einen Zugang zu haben, egal ob emotional, rational, akademisch oder
 
intuitiv.
 

 
Wie wird man zu einem Permakultur Designer?
 

 
Permakultur, wie oben als Disziplin verstanden, kann man meiner Meinung nach
 
erlernen wie jede andere Disziplin auch: durch eine adäquate Ausbildung oder
 
autodidaktisch. Die interessantere Frage ist natürlich wie man zu einem
 
Neoschamanen, einem Geschichtenerzähler und einem Gestaltenwandler wird, denn
 
dabei geht es meiner Meinung nach über disziplinäres Fachwissen hinaus.
 

 
Ich fange beim Gestaltenwandler an. Gestaltenwandler sind wir meiner Meinung
 
nach immer. Denn unser Lebensumfeld verändert sich ständig und so auch wir
 
mit ihm. Die Frage ist aber: wie kann ich das als positive Qualität verstehen
 
und mitgestalten? Dafür ist eine innere Haltung nötig, nämlich die
 
Bereitschaft sich auf den Prozess des Lebens einzulassen und sich von ihm
 
verändern zu lassen ohne kontrollieren zu wollen, wo dieser Prozess hinführt.
 
Dazu braucht es Vertrauen, ein offenes Herz und den Mut, sich seinen eigenen
 
Ängsten (die oft Ängste vor Veränderungen sind) zu stellen. Die meisten
 
Lebenskonzepte zielen darauf, die eigene Position zu stabilisieren, indem man
 
versucht Veränderungen aufzuhalten oder sie zumindest zu kontrollieren, um
 
ihnen den Schrecken zu nehmen. Ein Lebensentwurf mit dem ich versuche
 
Sicherheit dadurch zu erlangen, dass ich den Fluss des Lebens blockiere, um
 
mich und meinen jetzigen Zustand konstant zu halten, führt meiner Meinung
 
nach in die Verzweiflung oder Resignation. Natürlich ist das Gegenteil auch
 
wahr: wenn ich gar keinen Rahmen mehr behalte mit dem ich „mich“ fassen kann,
 
und mich ausschließlich durch äußere Einflüsse lenken lasse, verliere ich den
 
inneren Zusammenhalt und werde wahnsinnig. Genialität ist wahrscheinlich die
 
Eigenschaft, genau auf diesem Grat zu reiten, wo einen das Leben im vollen
 
Strom mitreißt und man trotzdem als Wesen nicht zerfällst. Also:
 
Gestaltenwandler sind wir immer. Um im positiven Sinn Gestaltenwandler zu
 
werden, brauchen wir Mut, Vertrauen und ein offenes Herz. Dies kann man
 
möglicherweise üben, oder durch einen Meister lernen, vielleicht ist vieles
 
davon auch Disposition. Carlos Castaneda lesen hilft vielleicht auch ;-) Der
 
Gestaltenwandler im oben benutzten positiven Sinn muss auf jeden Fall eine
 
Aufmerksamkeit gegenüber inneren Prozessen entwickeln. Der Gestaltenwandler
 
ist der Aspekt des Designers, der sich den eigenen Beziehungen und ihren
 
Veränderungen gegenüber öffnet.
 

Demgegenüber könnte man den Neoschamanen als den Aspekt des Designers

bezeichnen, der eher eine Aufmerksamkeit gegenüber äußeren Faktoren

entwickelt und diese schult. Der Neoschamane muss ein Beobachter der

Beziehungen der äußeren sichtbaren und unsichtbaren Welt sein und ihre

Mechanismen verstehen, um dann auf sie einwirken zu können. Nicht umsonst

sagen uns alle großen Permakulturlehrer: Beobachte, beobachte, beobachte!

Beobachten, vielfältiges Wahrnehmen und Musterlesen sind die Basis, auf der

ein Neoschamane seine Arbeit tut. Übt und beherrscht er diese Fähigkeiten,

dann glaube ich, dass die Erkenntnisse, wie mit den Beziehungen zu arbeiten

ist, mehr oder weniger von selbst kommt. Beobachten, Muster, Menschen und

Landschaften lesen kann man lernen oder auch eine eigene Begabung dafür

haben. Die Erkenntnisse daraus in bewusst-intuitive Gestaltung umzusetzen

wird umso leichter fallen, wenn man Permakultur als Disziplin erlernt hat.

Der Geschichtenerzähler ist nun wahrscheinlich derjenige Aspekt des Designers

der synthetisch arbeitet, indem er innere und äußere Aspekte zusammenfügt und

ihnen durch Kommunikation Bedeutung, also eine Geschichte verleiht. Hierfür

braucht es Kreativität und Elloquenz, die nicht unbedingt sprachlich sein

muss. Eine Geschichte kann auch durch Bewegungen, Handwerk, ein Ritual oder

einen bedeutenden Blick erzählt werden. Ich glaube, dass jeder Mensch die

Fähigkeit dazu hat aber wenige den Zugang dazu kennen. Aber man kann Menschen

sicherlich dabei unterstützen diesen Zugang zu finden.

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